Wer hätte das zu Beginn des Jahres erwartet? Während der Euro Stoxx 50 im ersten Quartal des laufenden Jahres um fast neun Prozent zulegt hat, verlor der S&P 500 mehr als zehn Prozent. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Schwäche der Magnificent 7: Bis auf Meta haben alle anderen Mag 7-Aktien in den ersten drei Monaten des Jahres prozentual zweistellig nachgegeben, Tesla sogar 36 Prozent. Auslöser für die Korrektur war das plötzliche Auftauchen des KI-Modells R1 von Deepseek aus China. Dieses kostete in der Entwicklung deutlich weniger als sein US-Pendant, liefert aber ähnlich gute Ergebnisse wie ChatGPT von OpenAI, das im November 2022 den Hype um Künstliche Intelligenz (KI) auslöste. Deepseek schürt große Zweifel daran, wann und ob sich die Milliardeninvestitionen der großen US-Technologiekonzerne in Rechenzentren für KI auszahlen werden. Alibaba hat diese Zweifel mit der Vorstellung seines KI-Modells Ende Februar noch verstärkt.

Während der S&P 500, in dem die Mag 7 hoch gewichtet sind, in den ersten drei Monaten wie erwähnt rund zehn Prozent verlor, bewegte sich der S&P 500 Equal Weight, in dem alle 500 Indexwerte mit 0,2 Prozent gleich gewichtet sind, seit Jahresbeginn zumindest seitwärts. Dies zeigt, dass es die großen amerikanischen Technologiekonzerne waren, die den S&P 500 in den ersten drei Monaten des Jahres ausgebremst haben.

Doch nicht nur die drohende KI-Konkurrenz aus China setzt die Glorreichen Sieben unter Druck. Auch US-Präsident Donald Trump hatte die Mag 7 mit seinem Hin und Her bei den Strafzöllen belastet. Die anfängliche Einschätzung, Trump drohe mit Strafzöllen, um in Verhandlungen mit anderen Regierungen Zugeständnisse zu erzwingen, zum Beispiel bei der Migration aus Mexiko oder beim Schmuggel von Fentanyl, ebenfalls aus Mexiko, hat sich inzwischen als falsch erwiesen. Trump nutzt die Strafzölle nicht als Druckmittel, sondern als Werkzeug, um die amerikanische Wirtschaft wieder „great“ zu machen. Doch der Schuss droht nach hinten loszugehen, zum Beispiel bei den Mag 7.

Alphabet, Amazon und Co. erwirtschaften einen Großteil ihres Geschäfts außerhalb der USA. Bei Apple kamen im vergangenen Jahr 57 Prozent des Umsatzes aus dem Ausland, bei Microsoft waren es immerhin 49 Prozent. Sie wären von Gegenmaßnahmen etwa der EU besonders betroffen. Brüssel erwägt unter anderem höhere Zölle nicht nur auf aus den USA importierte Jeans, Motorräder oder Whiskey, sondern auch auf Dienstleistungen, wie sie die US-Technologiekonzerne anbieten.

Trump macht aber nicht nur den amerikanischen Tech-Konzernen das Leben schwer, sondern der gesamten US-Wirtschaft. Denn unter seiner erratischen Politik leidet die Planungssicherheit der Unternehmen. Sie können in diesem Umfeld nur noch auf Sicht fahren. Hinzu kommt, dass durch seine Politik in den USA inzwischen die Gefahr einer steigenden Inflation bei einem gleichzeitigen Abbremsen des Wirtschaftswachstums besteht. In den USA droht eine Stagflation.

Zölle lassen Preise steigen

Die Anfang April verhängten Strafzölle auf fast alle Importgüter werden deren Preise verteuern (müssen). Für die meisten Unternehmen wird es zwar kaum möglich sein, die Strafzölle in voller Höhe an ihre Kunden weiterzugeben, weil ihnen dann der Umsatz wegbrechen würde. Es wird aber auch nicht funktionieren, die Strafzölle vollständig auf die eigene Rechnung zu nehmen. Dann würden die betroffenen Firmen in die Verlustzone rutschen, weil die Gewinnmargen das einfach nicht hergeben.

Wie eine Reaktion auf Trumps Strafzölle aussehen kann, zeigt Ferrari. Der italienische Sportwagenhersteller unterhält in den USA keine Produktionsstätten und muss daher alle dort verkauften Autos importieren. Dabei werden sie mit einem Einfuhrzoll von 25 Prozent belegt. Ferrari hat bereits angekündigt, die Preise für einige Modelle in den USA um bis zu zehn Prozent zu erhöhen. Für viele andere Unternehmen wird eine zehnprozentige Preiserhöhung nicht ausreichen, um noch profitabel arbeiten zu können. Auch in den USA produzierte Waren werden sich verteuern, da sich Rohstoffe und Vorprodukte aus dem Ausland verteuern. Außerdem verschaffen die Strafzölle auf Importe den heimischen Unternehmen wie Ford oder General Motors entsprechenden Spielraum nach oben.

Wenn der Wettbewerbsdruck auf amerikanische Firmen sinkt, bessere oder preiswertere Waren anzubieten, werden sie weniger innovativ sein, langsamer wachsen und weniger neue Arbeitsplätze schaffen. Dazu kommt, dass Trump mit seiner erratischen Politik, nicht nur die Unternehmen verunsichert, sondern auch die Konsumenten. Das Verbrauchervertrauen in den USA ist im Februar so stark gesunken wie seit dreieinhalb Jahren nicht mehr. Auch die Einzelhandelsumsätze sind rückläufig. Für eine Wirtschaft, die vor allem vom Konsum lebt, ist das Gift.

Gleichzeitig sorgt Trump-Buddy Elon Musk dafür, dass Zehntausende Staatsangestellte ihren Job verlieren. Auch das dürfte den Konsum belasten. Schließlich versucht Musk, die Staatsausgaben im großen Stil zu kürzen. Die Erfahrung zeigt aber, dass Volkswirtschaften meist nur dann wachsen, wenn auch der Staat in nennenswertem Umfang investiert. Auch wenn die US-Wirtschaft in diesem Jahr weiter expandieren dürfte, ist eine Abkühlung der Konjunktur mehr als wahrscheinlich. Inzwischen besteht sogar ein erhebliches Rezessionsrisiko. Die Ökonomen schätzen die Wahrscheinlichkeit dafür im Konsens auf 25 Prozent, JP Morgan sogar auf 40 Prozent.

Fed in der Zwickmühle

Die Gefahr einer stagnierenden oder sogar wieder ansteigenden Inflation bei gleichzeitiger konjunktureller Abschwächung bringt die amerikanische Notenbank Fed in eine Zwickmühle. Da sie sowohl der Preisstabilität als auch dem Wirtschaftswachstum verpflichtet ist, müsste sie zur Verfolgung des erstgenannten Ziels die Leitzinsen unverändert lassen oder sogar wieder anheben. Um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, wäre hingegen niedrigere Leitzinsen notwendig. Seit Jahresbeginn haben sich aber die Erwartungen an eine Lockerung der Geldpolitik deutlich abgekühlt. Eine drohende Rezession infolge der Strafzölle könnte hier allerdings ein Umdenken erzwingen.

Gemessen am Fed-Watch-Tool der Chicago Mercantile Exchange signalisieren die Terminmärkte derzeit eine Wahrscheinlichkeit von rund 70 Prozent, dass die Fed auf ihrer nächsten Sitzung am 7. Mai die Leitzinsen nicht senken, sondern bei 4,25 bis 4,5 Prozent belassen wird. Anfang April lag der Wert noch bei 80 Prozent. Fed-Chef Jerome Powell hatte in seiner Rede am 4. April nochmals bestätigt, dass er eine wirtschaftliche Verlangsamung der US-Konjunktur in Kombination mit einer zollbedingt steigenden Inflationsrate kommen sieht.

Trump braucht möglichst niedrige Zinsen, um die Staatsschulden zu finanzieren. Diese liegen inzwischen bei über 120 Prozent des BIP. In der westlichen Welt sind nur Italien und Japan noch höher verschuldet. Die USA müssen mittlerweile rund eine Billion Dollar pro Jahr nur für Zinszahlungen aufbringen. Das übersteigt sogar die jährlichen Militärausgaben.

Ob die Neuverschuldung wie geplant auf rund drei Prozent pro Jahr halbiert werden kann, ist zumindest fraglich. Die Strafzölle und die Sparmaßnahmen des von Musk geleiteten Department of Government Efficiency werden kaum ausreichen, um die geplanten Steuersenkungen zu kompensieren und gleichzeitig die Neuverschuldung zu senken. Ein Ziel hat Trump allerdings erreicht. Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen sind von 4,8 Prozent zu Jahresbeginn auf unter 4 Prozent gesunken. Das entlastet Washington ein wenig bei den Zinszahlungen. Angesichts der chaotischen Politik Trumps und der Verluste an der Wall Street steuern Anleger wieder vermehrt vermeintlich sichere Häfen an. Das erklärt nicht nur den jüngsten Kursanstieg der US-Staatsanleihen, sondern teilweise auch den des Goldpreises, der unter den Strafzöllen bislang vergleichsweise wenig gelitten hat.

Notenbanken kaufen Gold

Nicht nur Anleger fragen das Edelmetall nach. Vor allem die Notenbanken der Schwellenländer decken sich schon seit geraumer Zweit mit Gold ein, allen voran die People`s Bank of China. Sie misstrauen zunehmend der Schuldenorgie Washingtons. Außerdem wollen sie sich unabhängiger vom Dollar machen. Das Einfrieren russischer Auslandsguthaben nach dem Überfall auf die Ukraine hat verdeutlicht, welchem Einfluss der US-Dollar unterliegt. Beim Gold ist das nicht der Fall. Trump hat noch ein weiteres Ziel erreicht: die Schwächung des US-Dollars. Anfang des Jahres sahen viele Analysten die Parität zum Euro in greifbarer Nähe. Tatsächlich hat der Greenback seit Jahresbeginn rund fünf Prozent an Wert verloren. Damit werden amerikanische Waren und Dienstleistungen im Ausland preislich wettbewerbsfähiger, während sich Importe in die USA tendenziell verteuern werden. Eigentlich gilt Trump als Mann der Wall Street, der sich auch an den dortigen Kursentwicklungen misst. Vielleicht bringt ihn das noch zur Vernunft. Immerhin hat er noch zwei Pfeile im Köcher: die angekündigten Deregulierungen und Steuersenkungen. Vor allem letztere hatten in seiner ersten Amtszeit für kräftig steigende Aktienkurse gesorgt.

GroKo sorgt für Euphorie

In Europa stellt sich die Situation in mehrfacher Hinsicht diametral anders dar als in den USA. Während sich das amerikanische Wirtschaftswachstum abschwächen dürfte, könnte es auf dem alten Kontinent an Fahrt gewinnen. Vor allem das milliardenschwere Konjunkturpaket der voraussichtlichen CDU/SPD-Regierung sorgte für gute Stimmung an den Börsen, die die Strafzölle jedoch jäh ausgebremst haben. Deutschland soll in den kommenden zwölf Jahren 500 Milliarden Euro in die Infrastruktur investieren. Außerdem sollen Ausgaben für die Bundeswehr, die ein Prozent des BIP übersteigen, von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Und auch die Länder dürfen sich wieder in überschaubarem Maße verschulden. Rückenwind kommt auch aus Brüssel. Die EU-Kommission will 150 Milliarden Euro an zinsgünstigen Krediten zur Verfügung stellen, mit denen die Mitgliedsstaaten zu niedrigen Finanzierungskosten ihre Streitkräfte ausrüsten können. Außerdem sollen VerteidigungsAusgaben, die 1,5 Prozent des BIP übersteigen, vier Jahre lang nicht auf die Schulden angerechnet werden. Das Gesamtvolumen wird von Experten auf rund 800 Milliarden Euro geschätzt. Aktien von Unternehmen aus der Rüstungs-, aber auch der Baubranche, stiegen zeitweise sprunghaft an und zogen die Indizes an den europäischen Börsen mit nach oben. Der breite Markt ohne Rheinmetall und Co. verzeichnete deutlich geringere Kursgewinne. Inzwischen hat sich die Euphorie komplett gelegt. Die Strafzölle Trumps stehen derzeit im Mittelpunkt. Außerdem muss die künftige Regierung erst noch beweisen, dass sie die geplanten Investitionen auch zeitnah umsetzen kann. Das dürfte angesichts der hohen Bürokratie in Deutschland nicht einfach werden. Auch in Europa sehen die Analysten von JP Morgan noch große Unsicherheiten. Gleichzeitig könnte es zu Engpässen bei den Unternehmen kommen. Die deutsche Rüstungsindustrie ist mehr als überschaubar. Um unabhängiger von den USA zu werden, müssten die Bundeswehr und andere Streitkräfte vermehrt in Europa beschaffen. Dabei handelt es sich um kein einfaches Unterfangen. Viele Waffensysteme, wie etwa das Kampfflugzeug F-35 von Lockheed Martin, sind auf dem modernsten Stand nur in den USA erhältlich. Es gibt noch einen weiteren wichtigen Unterschied zu den USA. Während die Fed vorerst eine Zinspause einlegen könnte, wird die EZB ihre Geldpolitik voraussichtlich Mitte April ein weiteres Mal lockern. Dies wäre der siebte Zinsschritt seit Sommer 2024. Auch wenn sich der Dax durch die Gefahr eines Zollkriegs von seinem Allzeithoch Mitte März wieder entfernt hat, legte er im ersten Quartal um beachtliche elf Prozent zu. Dafür braucht das deutsche Standardwertebarometer normalerweise anderthalb Jahre. Allerdings beruhte die gute Stimmung in Europa zu einem großen Teil auf Hoffnungen. Die Kursgewinne der vergangenen Monate basierten vor allem auf einer Ausweitung der Bewertungskennzahlen wie dem KGV. Die erwarteten Unternehmensgewinne konnten bislang nicht mithalten. Europa wird sich kaum von einer Abschwächung in den USA abkoppeln können. Hinzu kommt der Zollkrieg mit der größten Volkswirtschaft der Welt. Die europäischen Aktienmärkte reagieren mit kräftigen Kursabschlägen. An den Rentenmärkten sorgten die GroKo-Ankündigungen hingegen für Verluste. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen sprang um rund 30 Basispunkte nach oben, so stark wie seit rund 25 Jahren nicht mehr. Mittlerweile hat sich die Lage aber wieder beruhigt.

China arbeitet am Comeback

Das Land der Mitte leidet nach wie vor unter der Immobilienkrise, die vielen Investoren hohe Verluste beschert hat. Peking versucht jedoch mit verschiedenen Maßnahmen, den Sektor zumindest zu stabilisieren. Zudem ist die Kommunistische Partei wieder näher an die chinesischen Technologiekonzerne herangerückt. Unternehmen wie Deepseek, die Tiktok-Mutter Bytedance oder die Autokonzerne Li Motors und BYD zeigen, wie stark China mittlerweile im Bereich moderner Technologien ist. Der SSE Composite, auch Shanghai Composite genannt, hat im ersten Quartal zumindest um gut zwei Prozent zugelegt. Noch deutlicher zeigt sich der Stimmungsumschwung beim Kursvergleich amerikanischer und chinesischer Technologietitel.

JP Morgan und die Kursziele für das restliche Jahr

In den vergangenen zwei Jahren lag die größte US-Bank mit ihren Prognosen für die verschiedenen Aktienmärkte genauso daneben wie unser Partner BCA Research. Beide Spezialisten waren in der Vergangenheit zu pessimistisch. Während BCA Research auf ihrer negativen Meinung beharrt, hatte JPMorgan just nach der US-Wahl das Kursziel nach oben revidiert. Auf Basis heutiger Indexstände winken überall Kursgewinne. In China wurde zuletzt das Kursziel von 67 Punkten auf 80 erhöht. Auch bei den Zinsniveaus bleibt das Bild zu den Vormonaten unverändert. Es gibt auf der kurzen Seite nicht allzu viel Luft nach unten, während die langen Zinsen tendenziell auf dem März-Niveau verharren dürften. Bei der Aktienauswahl nach Sektoren hat sich das Bild in den vergangenen Wochen gewaltig eingetrübt. In den USA sollen nur noch Staples, Communication Services und Utilities übergewichtet werden. Ähnlich sieht das Bild in Europa aus. Hier sind es Healthcare, Communication Services und Real Estate. In Japan bleibt einzig der Sektor Financials übrig. In den Schwellenländern sind es Financials, Technology und Utilities.

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